Bewegungsstörungen

Manche Kinder fallen auf, weil sie ungeschickt und wenig gelenkig sind, das kann sich im Laufe der Jahre „auswachsen“. Andere aber leiden an krankhaften Bewegungsstörungen, die durch Schädigungen der Muskeln, der Nerven, des Rückenmarks oder des Gehirns verursacht werden können. Auch Unfälle oder Entzündungen sind mögliche Auslöser.

Im Werner Otto Institut stehen unterschiedliche Behandlungsmethoden zur Verfügung, die genau auf die Beschwerden des Kindes abgestimmt werden. Das Ziel ist eine größtmögliche Selbstständigkeit des Kindes und die Unterstützung der Eltern, um trotz der Einschränkungen den Alltag gemeinsam gestalten zu können.

Infantile Cerebralparese (ICP)

Infantile Cerebralparesen sind die häufigsten Bewegungsstörungen bei Kindern. Die „ICP“ bezeichnet kein klar definiertes Krankheitsbild, sondern ist ein Sammelbegriff. Die Ursache liegt meistens in einer frühkindlichen Schädigungen der Gehirnareale, welche die Bewegung steuern. Schätzungen zufolge sind zwei von tausend Neugeborenen (häufig nach eine Frühgeburt mit Komplikationen) betroffen. Auch spätere Unfälle oder Entzündungen können eine Cerebralparese auslösen.

Hauptmerkmal der zerebralen Bewegungsstörungen sind Auffälligkeiten der Körperhaltung und Beweglichkeit. Die meisten betroffenen Kinder sind durch Lähmungen an unterschiedlichen Gliedmaßen (Spastik) in ihren Bewegungen eingeschränkt. Manchmal wird die ICP begleitet von weiteren Problemen wie epileptischen Anfällen, Sehstörungen, Intelligenzminderung und Lernproblemen.

Im Rahmen der multidisziplinären Therapie am Werner Otto Institut betreut ein Team von Ärzten, Physio-, Logo- und Ergotherapeuten das Kind und seine Familie von Anfang an und begleitet es über Jahre hinweg. Das Ziel der Behandlung liegt darin, die Bewältigung des Alltags (z. B. Essen und Trinken, Toilettenbenutzung, An- und Ausziehen) möglichst selbstständig oder mit unterstützender Hilfe zu erreichen.

Medikamentöse Therapien ergänzen im Bedarfsfall die Behandlung. Auch die Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln (Rollstuhl, Schienen, Korsett) soll dem Kind und seiner Familie die bestmögliche Teilhabe am Alltag ermöglichen.

Um dieses Ziel zu erreichen wird auch das weitere Umfeld des Kindes (Kita, Schule), in die Behandlung einbezogen.

Neuro-Orthopädie

In der Neuroorthopädischen Sprechstunde werden Kinder mit überwiegend schweren körperlichen Behinderungen vorgestellt. Ein Team von Orthopäde, Kinderarzt, Techniker und Physiotherapeutinnen berät die Familie, wie der Alltag mit erleichtert werden kann.

Dabei geht es um die Versorgung und individuelle Anpassung von Schienen, Korsette, Einlagen und vielfältigen individuell angepassten technischen Hilfsmitteln, die Auswahl der richtigen Behandlungsmethoden sowie die ergänzende medikamentöse Behandlung. Ziel ist eine größtmögliche Selbstständigkeit des Kindes. Sollte eine Operation nötig sein, bestehen enge Kooperationen mit dem Altonaer Kinderkrankenhaus und dem Annastift in Hannover.

Botulinumtoxin

Kinder mit spastischen Bewegungsstörungen können von einer schonenden Behandlung mit Botulinumtoxin profitieren. Bereits seit 15 Jahren wird diese Methode im WOI erfolgreich durchgeführt.

Botulinumtoxin A ist ein künstlich hergestelltes Lebensmittelgift. Durch gezielte Injektion in einen Muskel vermindert es vorübergehend die Spastik (dauerhafte Verkrampfung der Muskeln), da der Wirkstoff die Übertragung von Signalen zwischen dem Nerv und seinem Zielmuskel blockiert. Während dieser "Blockade" können einerseits die bisher in ihrer Funktion unterdrückten Gegenmuskeln aktiviert und auftrainiert werden, auch verbessert sich die gesamte Muskelkoordination. Die Kinder können mit intensiver Physiotherapie und unterstützender Schienenbehandlung ein neues Bewegungsmuster einüben.

Durch Botulinumtoxin ist die spastische Lähmung zwar nicht heilbar, wird aber deutlich reduziert. Operationen lassen sich manchmal nicht vermeiden, sie können aber mehrere Jahre hinausgeschoben werden.

Die Nerven-Muskel-Blockade nimmt nach drei bis sechs Monaten wieder ab, da sich neue Verbindungen zwischen dem Nerv und dem Muskel bilden. Dann ist eine erneute Injektion möglich.

Bei sachgemäßer Anwendung wirkt Botulinumtoxin A nur in dem betreffenden Muskel. Milde Nebenwirkungen können in Einzelfällen in Form von leichtem Fieber oder Schmerzen auftreten.
In ganz seltenen Fällen werden Schluck- oder Blasenentleerungsstörungen beschrieben, die sich aber wieder zurückbilden.

Die Behandlung selbst ist normalerweise nur während der Injektion etwas schmerzhaft. Deshalb wird die Haut an der Einstichstelle lokal betäubt und das Kind erhält bei Bedarf Schmerz- und Beruhigungstropfen. Die Eltern können ihr Kind zum Beispiel durch die Lieblingsmusik oder das Erzählen einer Geschichte von der Injektion ablenken.

Orthopädietechnik / Hilfsmittelversorgung

Wenn Hilfsmittel (Schienen, Einlagen, Rollstühle usw.) erforderlich sind, haben die Eltern – die Genehmigung der Krankenkasse vorausgesetzt – grundsätzlich die Möglichkeit, ein Sanitätshaus ihrer Wahl zu beauftragen. Das Werner Otto Institut arbeitet mit mehreren Sanitätshäusern und orthopädischen Werkstätten zusammen, die eine hohe Qualität der Versorgung gewährleisten.

Die Ärzte und Therapeuten des WOI begleiten im Team die Anpassung der Hilfsmittel und führen in regelmäßigen Abständen weitere Kontrollen durch, um ein optimales Ergebnis zu sichern.

Zusammen mit Therapeutinnen aus Kindergärten und Schulen (Arbeitskreis körperbehindertes Kind) haben die Experten des Werner Otto Instituts eine Richtlinie zur Qualitätssicherung bei der Hilfsmittel-Versorgung erarbeitet.