Interdisziplinäre Hörgeräteversorgung 0-18 Jahre

Nach einer Fallbesprechung mit den Eltern eines Kindes und der Diagnostik kann eine Anpassung von Hörgeräten im interdisziplinären Team erfolgen. Dieses Team setzt sich wie folgt zusammen:

  • einem Arzt, einer Audiometrieassistentin und einer Hörgeräteakustikerin aus dem Werner Otto Institut
  • einem Experten aus dem Bildungszentrum Hören und Kommunikation für die wöchentliche Hörfrühförderung
  • einem Päd-Akustiker für Hörgeräte aus einem Fachgeschäft.

Zunächst erfolgt ein Austausch der Fachleute untereinander und dann das Gespräch mit den Eltern, um alle Sichtweisen in Einklang zu bringen. Dann wird gemeinsam entschieden, welche Lösung die beste ist, um ein optimales Hören zu ermöglichen.

Hörgeräte-Anpassung

Wir verwenden bei Kindern nur volldigitale Hörgeräte von Herstellern, die sich auch um eine spezielle Ausstattung ihrer Hörgeräte für den Einsatz bei Kindern engagieren. Voraussetzung für eine zielgerichtete Programmierung dieser Hörsysteme ist das Vorliegen einer verlässlichen Hörschwelle. Die Programmierung erfolgt dabei auf der Basis von Anpassformeln, die speziell für die Berechnung des Verstärkungsbedarfs bei Kindern entwickelt und international an vielen Kindern wissenschaft-
lich überprüft wurden. Die Hörgeräteanpassung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Hörgeräteakustikerinnen mit langjähriger Erfahrung bei Kindern in allen Altersgruppen vom Baby nach dem Neugeborenenhörscreening bis zum Jugendlichen, der sich seinen Platz als schwerhöriger Mensch in einem hörenden Umfeld erst noch erobern muss.

Hörsprachförderung

Alle jungen Kinder erhalten parallel zur Hörgeräteanpassung auch eine frühe Hörsprachförderung. Hierbei erfolgt eine gut koordinierte Kooperation mit den zuständigen Einrichtungen an den Schulen für Hörgeschädigte.

Nach der Hörgeräteprogrammierung wird bei allen Kindern genau nachgemessen, ob mit dem Hörgerät auch die vorausberechnete Verstärkung am Trommelfell des Kindes erreicht wird und alle Sprachanteile für das Kind mit dem Hörgerät wieder hörbar werden (INSITU-Messung, RECD-Messung). Anhand einer speziellen Darstellung (SPLogram oder Perzentillenmessung), die alle verfügbaren Informationen in einem Gesamtbild zusammenbringt, kann sowohl für den Fachmann als auch für die Eltern der Hörgewinn gut nachvollzogen werden oder auch Bereiche erkannt werden, die im Rahmen einer fortlaufenden Anpassung noch weiter optimiert werden müssen. Darüber hinaus nutzen wir zur Kontrolle und Dokumentation des Anpasserfolgs:

  • die Rückmeldungen der Eltern und Kinder, auch unter Verwendung von Fragebögen
  • den Vergleich von Hörprüfungsergebnissen mit und ohne Hörgerät
  • die Rückmeldungen aus der Hörfrühförderung an den Schulen für Hörgeschädigte, die u.a. während der Hörgeräteanpassung regelmäßig durch einen Fragebogen per Fax übermittelt werden.

Weitere Informationen finden Sie im Konsenspapier der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie.

Hörgeräte für Kinder mit Behinderung

Auch bei mehrfachbehinderten Kindern nutzen wir zunächst alle Hörtest-Möglichkeiten zur Bestimmung einer Hörschwelle als Basis für eine zielgerichtete Hörgeräteprogrammierung. Die Frage, ob eine Hörgeräteversorgung zu einem bestimmten Zeitpunkt sinnvoll und möglich ist, wird aber auch entscheidend durch den Gesamtentwicklungsstand des Kindes sowie zusätzliche schwerwiegende Erkrankungen und die aktuelle Versorgungssituation des Kindes und der Familie mitbestimmt.

Dabei müssen häufig zwei Überlegungen abgewogen werden: Einerseits können die Auswirkungen einer Schwerhörigkeit auf die Kommunikations- und Sprachentwicklung eines Kindes durch zusätzliche Behinderungen noch verstärkt oder gar potenziert werden und der Ausgleich der Hörstörung durch Hörgeräte gewinnt noch mehr an Wichtigkeit. Andererseits kann es sein, dass zu einem gegebenen Zeitpunkt andere u.U. lebenswichtige Maßnahmen im Vordergrund stehen oder die Familie und das Kind durch vielfältige Maßnahmen bereits so belastet sind, dass eine zeitaufwendige Hörgeräteversorgung aufgeschoben werden muss. Auch erfordern viele Mehrfachbehinderungen unabhängig von der Hörschädigung bereits eine direktere Kontaktaufnahme mit dem Kind, so dass durch die gezieltere Zusprache über eine kurze Distanz geringe Hörverluste ggfs. auch ohne Hörgeräte überbrückt werden können.

Wenn notwendig bieten wir den Familien mit mehrfach behinderten Kindern während der Hörgeräteanpassphase auch eine wöchentliche logopädische Hörsprachförderung bei uns im Haus an, um im engen interdisziplinären Kontakt Rückmeldungen über das Hörverhalten und die Akzeptanz mit den Hörgeräten zu erhalten und das Kind und die Eltern in dem Gewöhnungsprozess an die Hörgeräte direkt begleiten zu können.

Frühe Hör-Sprachförderung

Wird bei einem kleinen Kind eine Hörstörung diagnostiziert, ist eine intensive Beratung der Eltern zum Umgang mit ihrem Kind das primäre Ziel der logopädischen Hör- und Sprachförderung. Dabei wird das intuitive elterliche Verhalten gestärkt, die Eltern zum Sprechen und Singen mit ihrem Kind ermutigt, auch wenn das Kind evtl. noch nicht auf Hörreize reagieren kann. Die elterliche Stimme ist hierbei der wichtigste Ausgangspunkt der frühen Hör-, Sprachförderung. Durch die gemeinsam gestalteten Therapiestunden erleben die Eltern, auf was sie im alltäglichen Umgang mit ihrem Kind achten sollten. Wie können sie ihr Kind an das Hören heranführen und die Umweltgeräusche für das Kind interessant und begreifbar machen? Wie lässt sich die elterliche Stimme im täglichen Umgang mit dem Kind zur Hörförderung einsetzen? Wie kann das Kind lernen, Geräusche und Sprache zu unterscheiden und zu verstehen?

Bei der Hörgeräteanpassung können Beobachtungen aus der logopädischen Therapiestunde hilfreich sein, um zu einer optimalen Einstellung der Hörgeräte zu gelangen. Bestehen bei dem Umgang und der Akzeptanz der Hörgeräte Probleme, können diese in der Therapie thematisiert werden.

Neben der Beratung der Eltern und anderer naher Bezugspersonen wird in der frühen Hör-und Sprachförderung mit dem Kind auch direkt

  • an der Wahrnehmung und Differenzierung von Geräuschen und Stimmen
  • an der Deutung von Geräuschen und Stimmen
  • am Richtungshören
  • an der Wahrnehmung und  Differenzierung von Lauten
  • am Verstehen von Wörtern, Sätzen und Geschichten

gearbeitet.

Hat das Kind gelernt, die Sprache gut wahrzunehmen und zu verstehen, kann es sich selber später entsprechend ausdrücken. U. U. sind weiter logopädische Hilfestellung beim Erlernen grammatikalischer Strukturen, bei der Erweiterung des Wortschatzes und Verbesserung der Aussprache notwendig und können im Werner Otto Institut angeboten werden.

Hörgeräteüberprüfung

Das Hörvermögen aller hörgeschädigten Kinder muss zum Ausschluss von Veränderungen des Hörvermögens regelmäßig überprüft werden. Veränderungen des Hörvermögens müssen auch in der Einstellung der Hörgeräte berücksichtigt werden. Darüber hinaus verändert sich die Lautstärke der Hörgeräte am Trommelfell, durch das Wachstum und die veränderten Resonanzverhältnisse im Gehörgang und es verändern sich die Hörsituationen des Kindes anfangs viel auf dem Arm oder im Bettchen, dann laufend und krabbelnde in der Wohnung, dann im Kindergarten, später in der Schule. Auch diese Veränderungen beeinflussen die Einstellung der Hörgeräte. So ist eine Hör-
geräteanpassung beim Kind nie vollständig abgeschlossen, sondern die Einstellung und das Über-
tragungsverhalten der Hörgeräte muss fortlaufend kontrolliert und an neue Bedingungen und Anforderungen adaptiert werden.

Ein besonderes Alarmzeichen sind Hörgeräte, die plötzlich nicht mehr von Kindern akzeptiert werden. Hier darf nicht primär nur von einer Verhaltensauffälligkeit des Kindes ausgegangen werden, sondern die Hörgeräte, die Ohrpaßstücke, die Hörgeräteeinstellung und die Hörschwelle müssen zunächst genau geprüft werden, da es meist einen nachvollziehbaren Grund für die Ablehnung gibt.

Für eine solche Hörgeräte- und Hörgeräteeinstellungsüberprüfung stehen im WOI alle technischen Möglichkeiten zur Verfügung und die Optimierung der Hörsysteme erfolgt in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Pädakustikern, Frühfördereinrichtungen und den Eltern.

Fragebögen zur Höregeräteversorgung

Die Pädaudiologen des Werner Otto Instituts unter Leitung von Dr. Thomas Wiesner haben in enger Zusammenarbeit mit Fachleuten anderer Einrichtungen eine Reihe von Fragebögen entwickelt, um die Hörgeräteversorgung bei Kindern zu verbessern:

- Hörgeräteanpassung bei Kindern - Fragebogen allgemeine Erklärungen 

Für Säuglinge und Kleinkinder, die noch nicht sprechen können:

- Hörgeräteanpassung bei Kindern im Alter von 0-3 - Beobachtungsfragebogen Elternerklärung

- Hörgeräteanpassung bei Kindern im Alter von 0-3 Beobachtungsfragebogen

Für Kinder ab ca. drei Jahren, die bereits sprechen können:

- Hörgeräteanpassung bei Kindern im Alter von 3-6 Beobachtungsfragebogen Teil 1

- Hörgeräteanpassung bei Kindern im Alter von 3-6 Beobachtungsfragebogen Teil 2

Questionnaires in English:

- Fitting of hearing aids to children age 0 to 3 observation questionnaire

- Fitting of hearing aids to children age 3 to 6 parent questionnaire part 1

- Fitting of hearing aids to children age 3 to 6 parent questionnaire part 2

Das "Hörbuch" ist eine Dokumentationsmappe zur Optimierung der interdisziplinären Zusammenarbeit in der Diagnostik und Versorgung hörgeschädigter Kinder. Ziel ist ein verlässlicher Informationsaustausch mit den Eltern und zwischen den beteiligten Berufsgruppen aller für die gemeinsame Versorgung notwendigen Daten.

Hier können Sie das Hörbuch und die Einleitung herunterladen.

Für Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge nehmen Sie bitte Kontakt auf mit Dr. Thomas Wiesner, phon@werner-otto-institut.de