Sprachentwicklungsstörungen

Von einer Sprachentwicklungsstörung (SES) spricht man, wenn ein Kind die Sprache verlangsamt oder abweichend vom typischen Entwicklungsverlauf erwirbt. Dies kann sich in folgenden Bereichen zeigen:

  • zu geringer oder undifferenzierter Wortschatz
  • Auffälligkeiten bei der Bildung von Sätzen (Satzbau und Grammatik)
  • fehlerhafte Aussprache
  • Auffälligkeiten beim Verstehen von Sprache
  • unangemessenes Verhalten in Kommunikationssituationen.

Eine SES kann ohne weitere Entwicklungsstörungen oder z. B. im Rahmen von neurologischen Erkrankungen, Syndromen, körperlichen und geistigen Behinderungen auftreten. Auf der Basis einer diagnostischen Abklärung der einzelnen sprachlichen Bereiche werden ggfs. Schwerpunkte für die logopädische Therapie abgeleitet.

Innerhalb der Diagnostik und Behandlung von Sprachentwicklungsstörungen bieten wir insbesondere zu folgenden Teilgebieten vertiefende Untersuchungen und spezifische Therapieansätze an.

SES bei globaler Entwicklungsstörung

Kinder, die im Werner Otto Institut vorgestellt werden, haben häufig Probleme in verschiedenen Entwicklungsbereichen. Die Sprache ist oft in unterschiedlichem Schweregrad mit betroffen und die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern erschwert. Die globale Entwicklungsstörung kann dazu führen, dass das Kind:

  • kein Interesse am Dialog zeigt
  • Sprache nicht gut versteht
  • keinen Wortschatz aufbaut
  • keine Sätze bilden kann
  • nicht verständlich artikuliert.

In der Diagnostik werden in einem ausführlichen Gespräch mit den Eltern die Meilensteine der allgemeinen, motorischen und sprachlichen Entwicklung erfragt. Je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes werden in der Untersuchungssituation durch Beobachtungen und Testverfahren Informationen zu den sprachlichen Fähigkeiten des Kindes zusammen getragen und durch die Einschätzungen und Alltagsbeobachtungen der Eltern ergänzt.

Im Anschluss werden mit den Eltern mögliche weitere Schritte diskutiert:

  • Besteht ein Behandlungsbedarf beim Kind und welches Problem steht ggf. im Vordergrund?
  • Welche Stärken hat das Kind/die Familie und wer unterstützt die Familie bereits?
  • Welche Art der Hilfestellung oder Therapie ist für das Kind und die Familie sinnvoll?
  • Wo kann der Familie eine geeignete Therapie angeboten werden? An wen können sich die Eltern wenden?
  • Ist eine logopädische Therapie für das Kind oder eine logopädische Beratung der Eltern notwendig? Soll sie im Werner Otto Institut erfolgen?

Je nach Entwicklungsalter und Ausprägung der Sprach- und Kommunikationsstörung werden Therapieansätze gewählt, die zur Verbesserung des Dialogverhalten, des Sprachverstehen und der Lautsprache des Kindes führen sollen. Das Ziel der Therapie ist die Verbesserung der Kommunikation in Alltagssituationen in der Familie, im Kindergarten oder in der Schule. Die Therapie orientiert sich an den individuellen Möglichkeiten der Kinder und ihrem Lerntempo. Für einige Kinder kann das Ziel beinhalten erste Wörter zu verstehen oder zu sprechen, für andere Kinder ist das Ziel eine korrekte Satzbildung. Einige Kinder lernen verständlicher zu artikulieren, andere Gebärden zur Unterstützung in der Kommunikation einzusetzen.

Wird das Kind von mehreren Therapeuten im Haus betreut, können gemeinsame Therapien vereinbart werden und ein enger Austausch zwischen unterschiedlichen Fachdisziplinen erfolgen.

Zur Anleitung der Eltern bitten wir auch Elternseminare in Kleingruppen an wie das „Heidelberger Elterntraining für Eltern entwicklungsverzögerter Kinder“ oder das KUGEL – Programm (Kommunikation mit unterstützenden Gebärden – ein Eltern-Kind-Gruppenprogramm).

Sprachverstehensstörungen

Kindern mit einer Sprachverstehensstörung gelingt es nicht, ihrem Alter entsprechend Wörter, Sätze und/oder Texte zu verstehen. Bei jüngeren Kindern kann das beispielsweise dazu führen, dass sie:

  • wenig auf Ansprache reagieren
  • auf jegliche Ansprache mit „Ja“ antworten
  • die Worte des Gesprächspartners nochmal wiederholen.

Für ältere Kinder ist die alltägliche Kommunikation mit Bezugspersonen, aber auch mit Gleichaltrigen, durch Missverständnisse belastet. Das schulische Lernen ist erheblich erschwert.

Die Diagnostik von Sprachverstehensstörungen erfolgt je nach Alter entweder durch Beobachtungen im gemeinsamen Spiel – vor allem bei kleineren Kindern – oder durch standardisierte Testverfahren bei älteren Kindern. Beim gemeinsamen Spiel werden dem Kind Anweisungen gegeben und beobachtet, wie es darauf reagiert. Bei den Testverfahren werden dem Kind z. B. mehrere Bilder vorgelegt, von denen es das passende Bild zu einem Wort oder Satz auswählen soll. Bei manchen Testverfahren bekommt das Kind auch Anweisungen, was es mit bestimmten Gegenständen tun soll.

Je nach Alter und Ausprägung der Störung, werden spezifische Therapieansätze gewählt, die das Kind bei der Verbesserung des Wort-, Satz- oder Textverstehens unterstützen. Darüber hinaus werden dem Kind grundlegende Strategien vermittelt, wie es selbständig sein Sprachverstehen erweitern kann bzw. wie es mit seinen Schwierigkeiten im Alltag aktiv umgehen kann.

Aussprachestörungen

Kinder mit Aussprachestörungen sprechen Wörter fehlerhaft aus. Sie ersetzen z. B. Laute durch andere oder lassen Laute bzw. Silben aus. Ihre Sprache kann dadurch schwer verständlich oder sogar unverständlich sein.

Zur systematischen Untersuchung der Aussprache soll das Kind Bilder benennen und ggf. Einzellaute und Wörter nachsprechen. Darüber hinaus wird die spontane Sprache des Kindes erfasst.

Ziel ist es, verschiedene Arten von Aussprachestörungen voneinander abzugrenzen (z. B. Phonetische Störung, Phonologische Störung, Kindliche Sprechapraxie), um einen möglichst wirkungsvollen Therapieansatz für das Kind auswählen zu können.

Late Talker

Als Late Talker werden Kinder bezeichnet, die zu spät oder nicht beginnen zu sprechen, obwohl alle anderen Entwicklungsbereiche altersgerecht entwickelt sind und die Kinder gut hören können. Sie lernen nur langsam neue Wörter und sprechen mit dem 2. Geburtstag noch keine 50 Wörter. Manche von ihnen bilden zu diesem Zeitpunkt auch noch keine Wortkombinationen wie „ Papa weg“, „Lampe an“ oder „Apfel essen“. Bis zum 3. Geburtstag kann etwa die Hälfte dieser Kinder ohne Unterstützung ihren Rückstand aufholen, die andere Hälfte weist auch mit drei Jahren noch deutliche sprachliche Schwierigkeiten auf.

Um jungen Kindern mit einem sehr begrenzten Wortschatz und ihren Eltern möglichst frühzeitig helfen zu können, erfolgt im Werner Otto Institut eine ärztlich-phoniatrische und/oder detaillierte spielerische logopädische Diagnostik. Neben dem Sprechen und dem Sprachverstehen beobachten wir das Spiel, den Einsatz von Gesten und die allgemeinen kommunikativen Kompetenzen wie z. B. den Blickkontakt.

Nach der Diagnostik klären wir mit den Eltern, wie das Kind am besten in seiner Sprachentwicklung unterstützt werden kann: Erscheint bereits eine frühe logopädische Therapie des Kindes notwendig? Kann die Sprachentwicklung weiter beobachtend abgewartet werden? Sollte die Beratung der Eltern im sprachlichen Umgang mit dem Kind im Vordergrund stehen? Ist die Teilnahme an einem Elterntraining (z. B. Heidelberger Elterntraining) sinnvoll und möchten die Eltern gemeinsam mit anderen betroffenen Familien teilnehmen?

Die Therapie bei Late Talkern wird sehr individuell und störungsspezifisch gestaltet. Die Logopädin fördert die Entwicklung der Sprache, in dem sie dem Kind bestimmte sprachliche Strukturen intensiv anbietet. Wenn nötig werden im Spiel symbolische und kommunikative Fähigkeiten aufgebaut oder gefestigt, um den Einstieg in die Sprache zu erleichtern.